Völkermord an den Êziden 2014
Frankfurt – August 03, 2022
Die Êziden im Nahen Osten waren früher eine in den Grenzen der heutigen Staaten Türkei, Syrien und Irak beheimatete nicht-muslimische Gemeinschaft und haben wie das armenische Volk eine lange Historie von Verfolgung und Ausgrenzung bis hin zum Genozid erfahren. Schon während der Hamidischen Massaker (1894-1896) und des jungtürkischen Genozids an den Armeniern (1915) wurden tausende Êziden ermordet. Êziden und Armenier haben sich in den letzten Jahrhunderten der Verfolgung gegenseitig Schutz gewährt. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts (ca. 1890) haben viele Êziden vor türkisch-osmanischer Gewalt in Ost-Armenien Schutz gefunden und seitdem gibt es eine kontinuierliche Präsenz der êzidischen Gemeinschaft in Armenien. Heute sind die Êziden die größte nicht-armenische Gemeinschaft in Armenien und von der Republik Armenien als eigenständige Ethnie anerkannt und geschützt. Der größte êzidische Tempel wurde 2019 in Armenien unweit von der Hauptstadt Jerewan in der Ortschaft Aknalitsch, die von Êziden bewohnt wird, erbaut.
Die systematische Homogenisierungspolitik, des politischen Islams sowie des Nationalismus in all seinen Verkörperungen in der Türkei, im Irak und in Syrien hat dazu geführt, dass nicht-muslimische Gemeinschaften, wie die der Aramäer, Armenier, Assyrer, Êziden und Pontosgriechen unter Hass, Verfolgung und Massaker in den letzten 125 Jahren marginalisiert wurden und nur noch eine klägliche ungeschützte Existenz in der alten Heimat haben. Einer Heimat im vormals so bunten und schönen orientalischen Mosaik des Nahen Osten, das immer mehr einem grauen eingeschlagenen Fenster gleicht.
In der neuen Heimat Europa jedoch erfreuten sich unsere Gemeinschaften dank demokratischer Grundwerte und Rechtsstaatlichkeit noch nie erfahrener Entwicklungsmöglichkeiten. Dies lässt uns aber nicht blind werden für die Menschen, die 100 Jahre nach dem Genozid an den Armeniern weiterhin rechtlos bedroht werden, ob im Sindschar-Gebiet, im vom Bürgerkrieg zerrütteten Syrien oder die durch einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Aserbaidschans und der Türkei gegen die Menschen in Arzach (Berg-Karabach).
Im Jahr 2014 hat die terroristische Gruppierung ISIS die Situation im Irak und in Syrien ausgenutzt und sich ausgebreitet und in diesem Zuge nicht-muslimischen Gemeinschaften sowie ihren Kultur- und Gebetsstätten den Krieg erklärt. Es wurden Gotteshäuser und ganze Regionen zerstört, Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit verfolgt, ermordet und versklavt. Der Genozid an den Êziden begann 2014 und hat immer noch kein Ende gefunden. ISIS ist angeblich zerstört, dennoch leben Êziden weiterhin in Camps. Sie können nicht zurück. Nicht nur, weil die Heimat unwiderruflich zerstört worden ist, sondern vor allem, weil das Umfeld ihnen feindlich gegenübersteht. Die Selbstverteidigungskräfte werden immer wieder völkerrechtswidrig von der türkischen Luftwaffe angegriffen, die irakische Zentralregierung will diese entwaffnen und angebliches Schutzpersonal aus dem Irak vor Ort installieren. 2014 hatten sich die kurdischen Peschmerga sowie irakisches Sicherheitspersonal sich aus dem Sindschar zurückgezogen und damit die Êziden der ISIS ausgeliefert.
2014 war aber kein Ausbruch von unvorhergesehener Gewalt einer terroristischen Gruppierung, sondern bereits nach dem Sturz Saddam Husseins 2003 wurden Êziden wie auch die anderen Gemeinschaften Opfer des fundamentalistischen Islam. Wieder mal startete eine große Fluchtbewegung für die nicht-muslimischen Minderheiten und die gezielten Anschläge und Gewaltakten haben damit das Ziel erreicht, die Präsenz der Aramäer, Armenier, Assyrer, Êziden und Pontosgriechen und anderer christlichen Gemeinschaften zu reduzieren oder ganz auszulöschen. Die sogenannte Weltgemeinschaft, die dem tatenlos zuschaut und die Täter, Mittäter und Unterstützer nicht zur Rechenschaft zieht, hat damit den Raum für weitere Verbrechen gegen die Menschheit offengelassen und damit Tür und Tor für den Völkermord an den Êziden in Sindschar 2014, und auch den völkerrechtswidrigen brutalen Angriffskrieg gegen die Menschen in Arzach 2020 geöffnet.
Wenn Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft systematisch ermordet, vergewaltigt und versklavt werden und der Lebensraum für die Überlebenden unwiderruflich zerstört wird, nennt man Völkermord. Eine Anerkennung darf nicht erst nach 101 Jahren erfolgen, sondern muss jetzt erfolgen. Aber damit ist nur das Nötigste getan. Es muss der Gemeinschaft der Êziden ermöglicht werden, selbstbestimmt in Sicherheit zu leben, die noch in Sklaverei befindlichen und vermissten Êziden befreit werden, den Tätern und Mittätern sowie Staaten, die diese unterstützt haben, müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Dies muss die Richtschnur jedes Rechtsstaates sein, der sich einem echten „Nie-Wieder“ moralisch verpflichtet fühlt! Damit geht einher, dass die Zusammenarbeit mit Staaten, Gruppierungen, Institutionen und Firmen, die solche Verbrechen an der Menschheit unterstützen, beendet werden muss. Es darf kein Völkerrecht mit zweierlei Maß geben.
Auch ist es notwendig, diese faschistische, rassistische Hetze und der religiös-motivierte Hass gegenüber der Gemeinschaft der Êziden und anderen nicht-muslimischen Gemeinschaften auch in Europa, vor allem in Deutschland nicht zu dulden. Solche Gruppierungen dürfen nicht hofiert werden und schon gar nicht von Politikern, die sich demokratischen Grundwerten verschrieben haben.
Das Präsidium von AGBU Germany e.V. empfindet es als seine Verpflichtung, mit der Gemeinschaft der Êziden gemeinsam den Opfern des Völkermords an den Êziden von 2014 zu gedenken und hält am heutigen Tage inne und verneigt sich vor den Opfern.
Headquartered in Berlin, AGBU Germany is the first German Chapter of the New York-based Armenian General Benevolent Union (AGBU), the world’s largest non-profit organization devoted to upholding the Armenian heritage through educational, cultural, and humanitarian programs across the globe. AGBU has an active presence in 32 countries and 75 cities.
AGBU Germany was founded in 2020 in the awareness of its responsibility towards the Armenians in Germany, Armenia, Artsakh, and the Diaspora. Inspired by the unwavering determination of its mother organization AGBU founded in 1906, and in appreciation and recognition of its continuous achievements, the Chapter fits as a German link into the ranks of international AGBU Chapters as well as into the global Armenian nation.